
Woher kommen unsere Ausstellungssysteme?
Wenn immer es ums Ausstellen geht, sind Systeme und Module nicht weit. Im Artikel für Gesellschaft für Designgeschichte gehe ich dem Ursprung unserer modernen Ausstellungen nach. Die Geschichte reicht zurück bis in die 1950er Jahre, als in den Messehallen eine regelrechte Revolution eingeleitet wurde…
Autor: Linus Rapp, Herausgeber Thilo Schwer und Melanie Kurz
„Der Bedarf an Ausstellungsarchitektur in den Jahren des Wirtschaftswunders war immens. Die Begegnung mit dem Raster war überall dort, wo ausgestellt wurde, fast unausweichlich…”
Leseprobe:
„Raster, Regeln, Ratio galten als ein Allheilmittel für gestalterische Probleme der Nachkriegszeit. Gerasterte Ausstellungssysteme waren prädestiniert für die ökonomisch-materiellen Engpässe nach Ende des Krieges sowie die Möglichkeiten der damaligen industriellen Serienfertigung. In ihrer einfachen und flexiblen Handhabung lieferten sie adäquate Lösungen für die Bedürfnisse ihrer Zeit. Modulare Ausstellungsarchitektur folgte den Ansätzen des Systemdesigns und wurde ein Massenerzeugnis, manchmal gar zur Katalogware. Die Ausdifferenzierung des Angebots öffnete die Messe auch für kleinere und mittlere Unternehmen und trug somit zu einer Demokratisierung bei. Durch die Normierung von Architektur, Gestaltung und dem dazugehörigen Berufsbild wurden Ausstellungen eine Dienstleistung.
Das Rastersystem ermöglichte es, den Entwurfsprozess einer Ausstellung zu systematisieren und „Ordnung in eine als chaotisch empfundenen Umwelt zu bringen“[1] . Gleichzeitig ist die Popularität des Rasters nicht allein in seinen ökonomischen Vorzügen zu suchen, vielmehr bot der Raster eine nahezu unverbrauchte Ästhetik, frei von Erinnerungen an Krieg und Faschismus. Der Raster wurde damit zu einem Ausdruck für ein neues Lebensgefühl, setzte dem Neuanfang ein gestalterisches Zeichen. Raster, Regeln und Ratio vereinfachte die Ausstellungsgestaltung. Einer gelungenen Ausstellungsgestaltung lag demnach keine „magic formula“[2] mehr zu Grunde, sondern sie basierte auf einem nachvollziehbaren und reproduzierbaren Schema. In seiner Verabsolutierung ermüdete das Raster, doch in seinen vielseitigen Einsatzmöglichkeiten sind Raster auch aus der heutigen Ausstellungsarchitektur nicht mehr wegzudenken.”
[1] Mareis, Claudia: Kreatives Problemlösen. Entwurfsdebatten im Kontext von Designmethodologie und Kreativitätsforschung, in: Dies.; Rottmann, Michael: Entwerfen mit System. Studienhefte Problemorientiertes Design 10, Hamburg 2020, S. 25–120, hier S. 43.
[2] Gardner, Heller: 1960, S. 7.
Linus Rapp, in: Exhibition of course is no magic formular (2022)